Weltweit konsumieren 1,13 Milliarden Menschen Tabakprodukte. Die Hälfte dieser Menschen wird vorzeitig an den Folgen des Rauchens sterben. Tatsächlich sterben weltweit jede Minute 13 Menschen an den Folgen ihres Tabakkonsums! Der finanzielle Schaden für die Gesellschaft ist enorm: Rund 2 Billionen Dollar jährlich müssen global für Krankheitskosten und Produktivitätsverlust, ausgelöst durch vorzeitigen Tod und Krankheit, aufgewendet werden. 1)vgl. zum Beispiel “The Tobacco Atlas” https://tobaccoatlas.org/ und “ASH Action on Smoking and Health” https://ash.org/the-problem/
Gleichzeitig steigen die Profite der Tabakunternehmen weiterhin an. In diesem Jahr wird der weltweite Markt für Tabakerzeugnisse voraussichtlich einen Umsatz von 988,4 Milliarden Dollar erzielen. Und auch in den nächsten fünf Jahren wird eine jährliche Wachstumsquote von 2,57 Prozent erwartet. Mit 872,8 Milliarden Dollar haben Zigaretten immer noch den größten Anteil am Marktvolumen.2)https://www.statista.com/outlook/cmo/tobacco-products/worldwide
Tatsache ist: Tabakunternehmen sind Drogenhändler. Die gehandelte Droge heißt Nikotin. Das gilt heute mit dem Trend hin zu „rauchfreien Alternativen“ wie Tabakerhitzern, E-Zigaretten oder Snus mehr denn je, denn oft ist in den Produkten gar kein Tabak mehr enthalten, sondern in erster Linie das abhängig machende Nikotin in der einen oder anderen (synthetischen) Form. Die Industrie ist sich ihrer Rolle seit jeher sehr wohl bewusst, wie firmeninterne Dokumente beweisen. Schon in den 60er-Jahren sagte etwa der leitende Wissenschaftler von British American Tobacco (BAT): „Rauchen ist eine Gewohnheit, die süchtig macht. […] Nikotin ist […] eine sehr wirksame Droge.“3)Bates C, Rowell A (1999): Tobacco Explained… The truth about the tobacco industry… in its own words. https://www.researchgate.net/publication/46438695_Tobacco_Explained_The_truth_about_the_tobacco_industry_in_its_own_words (ResearchGate, January 2004)
Das hält die Industrie jedoch keineswegs davon ab, ihre neuen Produkte als weniger schädlich oder gar „gesünder“ anzupreisen. Eine Behauptung, die frei aus der Luft gegriffen ist, wie vor wenigen Monaten ein Whistleblower von Philip Morris International (PMI) enthüllte. Über die beliebten Tabakerhitzer IQOS von PMI sagte er: „Sie verringern den Schaden nicht. Sie verringern die Gesundheitsrisiken nicht. Sie verringern die Sterblichkeit nicht. Es ist nicht bewiesen.“ Vielmehr, so der Whistleblower, habe das Tabakunternehmen zum Beispiel in Japan Einfluss auf die Wissenschaft und Politik ausgeübt (etwa durch Geldzahlungen), um die wissenschaftliche Forschung zu steuern und politische Maßnahmen zur Tabakkontrolle zu behindern.4)Swiss association for tobacco control (13.08.2024): Philip Morris manipulates science and plans advertising campaigns to influence politics. https://www.at-schweiz.ch/en/latest-stories/news/pmi-manipulation/
Dass die Tabakmultis auch vor illegalen Maßnahmen nicht zurückschrecken, zeigt sich weiter in einem Gerichtsurteil aus Frankreich vom Februar 2025. Dort wurde Philip Morris International zum wiederholten Mal zu einer hohen Geldbuße verurteilt, weil es im Internet behauptete, der Tabakerhitzer IQOS stelle eine reduzierte Gefahr für die Gesundheit dar.5)France 24 (20.02.2025): Tabac: Philip Morris condamné en France à 500.000 euros d’amende pour publicité illégale. https://www.france24.com/fr/info-en-continu/20250220-tabac-philip-morris-condamn%C3%A9-en-france-%C3%A0-500-000-euros-d-amende-pour-publicit%C3%A9-ill%C3%A9gale
Besonders tragisch ist, dass die neuen Produkte einmal mehr auf die Anwerbung von Kindern und Jugendlichen abzielen. Das wird von der Tabakindustrie nach wie vor vehement bestritten, obwohl auch hier firmeninterne Dokumente belegen, dass Jugendliche eine Hauptzielgruppe für Werbung und neue Produkte darstellen. Das liegt auf der Hand, sterben der Tabak- respektive Nikotinindustrie ihre Kunden ja ausgerechnet durch den Konsum des verkauften Produkts laufend weg und bleiben Menschen, die schon in ihrer Jugend mit dem Konsum nikotinhaltiger Produkte beginnen, meist lebenslange „Kunden“. Das ist wissenschaftlich klar belegt.
Global konsumieren ungefähr 50 Millionen Jugendliche zwischen 13 und 15 Jahren Zigaretten oder rauchfreie Nikotinprodukte. 2023 gab in Deutschland mehr als ein Drittel der 14- bis 17-Jährigen an, schon einmal eine E-Zigarette verwendet zu haben. Zwischen 2021 und 2022 hat sich die Zahl der Konsumenten in dieser Altersgruppe sogar verfünffacht! Die farbige und trendige Aufmachung der Produkte, die zunehmend sogar in Automaten direkt neben den Süßigkeiten und Softdrinks zu finden sind, führt dazu, dass die Nikotinprodukte von Kindern und Jugendlichen als harmlose Lifestyleprodukte wahrgenommen werden. Dazu tragen auch die zugesetzten Aromastoffe – von Vanille über Wassermelone bis Minze – bei, von denen laut WHO rund 16’000 im Handel sind.
Doch E-Zigaretten oder Vapes sind keineswegs harmlos. Die Flüssigkeit in den Vapes besteht vorwiegend aus Propylenglykol und Glycerin (also nicht einfach Wasserdampf). Dazu kommen eben die Aromastoffe, von denen bislang noch nicht wirklich klar ist, wie sie sich auf den Körper auswirken, wenn sie langfristig inhaliert werden. Zudem kann das entstehende Aerosol krebserregende Substanzen wie Formaldehyd und Acetaldehyd enthalten.
Vor allem aber beinhalten auch diese Produkte das süchtig machende Nikotin, dass schon wenige Sekunden nach dem Ziehen an der Vape über die Blutbahn ins Gehirn gelangt. Gerade bei Jugendlichen wirkt sich Nikotin störend auf die Gehirnreifung aus, vor allem auf das Gedächtnis und die Aufmerksamkeit.6)7)SWR Wissen (31.05.2024): Jugend-Trend: So schädlich sind E-Zigaretten. https://www.swr.de/wissen/so-gesundheitsschaedlich-sind-e-zigaretten-100.html
Besondere Sorge macht den Experten überdies eine neue Substanz, die sich immer häufiger in E-Zigaretten findet. Es handelt sich um 6-Methylnikotin (6-MN), auch Metatine genannt, ein chemisches Nikotinanalogon, das womöglich noch süchtiger macht als herkömmliches Nikotin. Dieses im Labor hergestellte Nikotin befindet sich in E-Zigaretten und Nikotinbeuteln (Snus), die bei Jugendlichen ebenfalls hoch im Kurs stehen. Oft werden Produkte, die 6-MN enthalten, als „nikotinfrei“ angeboten und sind leicht ohne Alterskontrolle im Internet erhältlich.7)Swiss association for tobacco control (14.03.2025): 6-Methylnikotin (6-MN): Die Schweiz darf nicht erneut beim Jugendschutz versagen. https://www.at-schweiz.ch/de/news-medien/news/medienmitteilung-6-methylnikotin/ Swiss association for tobacco control (12.03.2025): Alarm over the marketing of 6-methyl nicotine in disposable e-cigarettes. https://www.at-schweiz.ch/en/at-blog/6-methyl-nicotine/
Und der Plan der Nikotinindustrie zur Gewinnung eines neuen Kundensegments geht sehr wohl auf, denn wie eine im Herbst 2024 publizierte Studie belegt, beginnen Teenager zwischen 12 und 17 Jahren, die E-Zigaretten verwendet haben, später fünf Mal häufiger mit Rauchen als Gleichaltrige, die die Hände von den E-Zigaretten ließen.8)Swiss association for tobacco control (25.09.2024): Study: E-cigarettes increase smoking risk fivefold in adolescents. https://www.at-schweiz.ch/en/latest-stories/news/study-e-cigarettes-increase-smoking-risk-fivefold-in-adolescents/
Angesichts dieser kürzlichen, alles andere als positiven Entwicklungen, muss man sich wirklich fragen, wie lange der Jugendschutz noch vernachlässigt werden soll und wie lange wir weiterhin eine ruchlose Drogenindustrie einfach schalten und walten lassen. Dass der lange Arm der Tabakunternehmen immer noch weit reicht, zeigt die im internationalen Vergleich hohe Raucherquote von 24 Prozent in der Schweiz, in der gleich drei der weltweit wichtigsten Tabakkonzerne (Philip Morris, Japan Tobacco International und British American Tobacco) angesiedelt sind.
References
↑1 | vgl. zum Beispiel “The Tobacco Atlas” https://tobaccoatlas.org/ und “ASH Action on Smoking and Health” https://ash.org/the-problem/ |
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↑2 | https://www.statista.com/outlook/cmo/tobacco-products/worldwide |
↑3 | Bates C, Rowell A (1999): Tobacco Explained… The truth about the tobacco industry… in its own words. https://www.researchgate.net/publication/46438695_Tobacco_Explained_The_truth_about_the_tobacco_industry_in_its_own_words (ResearchGate, January 2004 |
↑4 | Swiss association for tobacco control (13.08.2024): Philip Morris manipulates science and plans advertising campaigns to influence politics. https://www.at-schweiz.ch/en/latest-stories/news/pmi-manipulation/ |
↑5 | France 24 (20.02.2025): Tabac: Philip Morris condamné en France à 500.000 euros d’amende pour publicité illégale. https://www.france24.com/fr/info-en-continu/20250220-tabac-philip-morris-condamn%C3%A9-en-france-%C3%A0-500-000-euros-d-amende-pour-publicit%C3%A9-ill%C3%A9gale |
↑6 | 7)SWR Wissen (31.05.2024): Jugend-Trend: So schädlich sind E-Zigaretten. https://www.swr.de/wissen/so-gesundheitsschaedlich-sind-e-zigaretten-100.html |
↑7 | Swiss association for tobacco control (14.03.2025): 6-Methylnikotin (6-MN): Die Schweiz darf nicht erneut beim Jugendschutz versagen. https://www.at-schweiz.ch/de/news-medien/news/medienmitteilung-6-methylnikotin/ Swiss association for tobacco control (12.03.2025): Alarm over the marketing of 6-methyl nicotine in disposable e-cigarettes. https://www.at-schweiz.ch/en/at-blog/6-methyl-nicotine/ |
↑8 | Swiss association for tobacco control (25.09.2024): Study: E-cigarettes increase smoking risk fivefold in adolescents. https://www.at-schweiz.ch/en/latest-stories/news/study-e-cigarettes-increase-smoking-risk-fivefold-in-adolescents/ |