Heute leben ungefähr 4,5 Milliarden Menschen weltweit in Städten, bis 2050 sollen siebzig Prozent der Weltbevölkerung Stadtbewohner sein. Doch wie aktuell in Zürich (32°C), Athen (37°C), Madrid (38°C) oder Antalya (39°C) – in der Stadt kann es im Sommer heiß werden. Im Durchschnitt beträgt die Temperatur in Städten mindestens 2°C mehr als in umliegenden Gebieten, in extremen Situationen sogar bis zu 20°C. Grund dafür ist, dass sich Beton, Glas und Stein von Gebäuden und Straßen durch die Sonneneinstrahlung sehr stark aufheizen und große Gebäude zudem oft den notwendigen Zustrom von kalter Luft verhindern.
Seit ein paar Jahren beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass mehr Grün in der Stadt die oft kaum erträgliche Hitze mindern kann. Vorreiter in Sachen Hitzeminderung durch Stadtbegrünung ist die kolumbianische Millionenstadt Medellín. Bereits im Jahr 2016 hatte der Stadtrat von Medellin beschlossen, dem Hitzeeffekt durch den Bau von 30 grünen Korridoren entlang von 18 ausgewählten Straßen und zwölf Bachläufen entgegenzuwirken. Zusätzlich wurde Fassadenbegrünung an öffentlichen Gebäuden angelegt und mehr als 100 neue Parks gebaut. Bis 2021 wurden in Medellin fast 880’000 Bäume und 2.5 Millionen kleinere Pflanzen gesetzt.
Das Ergebnis ist deutlich spürbar. Diese 30 grünen Korridore bilden heute ein 20 Kilometer langes, miteinander verbundenes Netz schattiger Wege. In den grünen Korridoren ist die Temperatur um 4.5°C gesunken. Das gesamten Stadtgebiet hat sich um 2°C abgekühlt. Außerdem haben die vielen Pflanzen die Luftverschmutzung reduziert, weil sie den Feinstaub aus der Luft filtern. In den kommenden Jahren sollen deshalb sogar noch mehr Bäume gepflanzt werden, wodurch eine Temperaturreduktion um weitere vier bis fünf Grad erwartet wird.
Die Kühlung der Atmosphäre durch Bäume und Vegetation beruht darauf, dass die Pflanzen über ihre Blätter Wasser verdunsten lassen. Damit Wasser vom flüssigen in den gasförmigen Zustand übergeht, benötigt es Energie in Form von Wärme, die es der umgebenden Luft entzieht. Das Resultat: Die Luft kühlt sich ab. Dadurch wird übrigens kein Wasser verbraucht, denn je mehr Wasser verdunstet, desto mehr Regen fällt auch. Das Wasser wird sozusagen rezykliert und bleibt in der Region.
Wie eine 2021 im Fachjournal „Nature Communications“ erschienene Studie der ETH Zürich zeigte, sind vor allem Bäume wertvolle natürliche „Klimaanlagen“. Die Untersuchung in 293 europäischen Städten ergab, dass auf städtische Flächen mit Baumbestand die Temperaturen deutlich niedriger sind. Beispielsweise waren in Wien Gebiete mit Bäumen im Sommer durchschnittlich um 11°C kühler als bebaute Flächen, baumlose Grünflächen um 5,5°C.
Dem Beispiel von Medellin sind bereits viele weitere Städte gefolgt. Bogotá und Barranquilla, ebenfalls in Kolumbien, haben inzwischen ähnliche Projekte gestartet. Auch das brasilianische São Paulo, mit 22,6 Millionen Einwohnern die größte Stadt Südamerikas, besitzt mittlerweile einen grünen Korridor. Auch Barcelona in Spanien baut seit 2020 an seiner grünen Infrastruktur. Die Stadt Melbourne in Australien baut auf Stadtgebiet fünf neue Regionalparks und vier neue Naturschutzgebiete, wodurch die Zahl der Grünflächen mehr als verdreifacht wird. Und die asiatische Millionenstadt Singapur, die sich als Vorreiterin der Fassadenbegrünung einen Namen gemacht hat, kühlt die Stadt mit acht „Nature Ways“, die vor allem auch die Biodiversität erhöhen sollen und aktuell eine Gesamtlänge von 43.3 km aufweisen. Bis 2030 sollen die „Nature Ways“ 180 km lang werden.
Übrigens: Die steigenden Temperaturen durch mehr Bäume und Vegetation zu reduzieren, funktioniert nicht nur in Städten, sondern auch im globalen Maßstab, wie Sie in diesem Artikel erfahren.
Quellen:
https://www.seforall.org/system/files/2021-05/Chilling-Prospects-21-SEforALL.pdf
https://goodnews-magazin.de/medellin-pflanzt-hunderttausende-baume/#:~:text=Auch%20124%20Parks%20der%20Stadt,als%202%20Grad%20Celsius%20gesenkt
https://www.20min.ch/story/klimaresistenz-gruene-korridore-gegen-die-hitze-lernt-zuerich-von-medellin-103157138
https://probaum.online/artikel/forscher-stadtbaeume-kuehlen-mehr-als-gruenflaechen-013096