Tiefseebergbau – Die „Grüne Wende“ wird zur Bedrohung für die Weltmeere

Die Meere und Ozeane prägen diesen Planeten Erde auf einzigartige Weise. Sie machen ihn zu einem blauen Planeten und stellen eine Verbindung her zwischen allen Kontinenten. Das Meer schenkt Leben. Es ist der größte Umwandler von Kohlendioxid, es ist maßgebend für den gesamten Wasserkreislauf, es ist Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten und seine Fische sind die Lebensgrundlage für mehr als eine Milliarde Menschen.

Doch dieses wunderschöne und lebensnotwendige Ökosystem befindet sich heute in größter Bedrängnis. Es leidet unter der Verschmutzung durch Plastik und Chemikalien, ist radioaktiv verstrahlt und ist durch die maßlose Gier des Menschen massiv überfischt. Selbst der Mobilfunk macht vor dem Meer nicht halt. Zukünftig sollen die Meere und Küsten als „Smart Ocean“ durch den „Unterwasser-Mobilfunk“ vollumfänglich überwacht werden. So soll beispielsweise ein lückenloses Umweltmonitoring möglich sein. Doch was bringt ein Umweltmonitoring, wenn es derart in die Umwelt eingreift und sie so stört, dass von Schutz keine Rede mehr sein kann?

Angesichts der Reaktionskraft von Wasser auf elektromagnetische Strahlung ist es alarmierend, dass nun selbst die Ozeane und Meere mit einem dichten Mobilfunknetz ausgestattet werden sollen. Die neuen Unterwasser-Mobilfunknetze basieren unter anderem auf Schall, also akustischen Wellen. Doch auch Wale und Delfine kommunizieren per Schall. Unterwasserlärm behindert ihre Kommunikations- und Orientierungsmöglichkeiten. Wie wird es den Meeresbewohnern ergehen, wenn durch „Smart Ocean“ zusätzliche Lärm- und Lichtemissionen sowie elektromagnetische Strahlungsquellen ihren Lebensraum belasten?

Der Einfluss der elektromagnetischen Wellen auf die Struktur des Meerwassers ist ein weiteres Fragezeichen. Niemand weiß, wie sich die ständige elektromagnetische Verseuchung auf das äußerst sensible Ökosystem der Meere auswirken wird. Ein Ökosystem, das wir erst etwa zu fünf Prozent untersucht und studiert haben!

 

Die Gier nach mehr

Doch damit nicht genug … nun droht den Meeren und Ozeanen noch von anderer Seite Gefahr, nämlich durch den Tiefseebergbau. Warum? Der Bergbau an Land ist immer wieder Nährboden für Kontroversen. Themen wie Abholzung, giftige Abraumhalden, die Verschmutzung von Süßwasser-Ökosystemen oder auch Menschenrechtsverletzungen werden oft in einem Atemzug mit dem Bergbau genannt.
Und: Die Rohstoffe an Land sind nur begrenzt vorhanden und gehen zum Teil bereits zur Neige. Doch es gibt einen Ort, an dem noch wertvolle Rohstoffe, insbesondere Seltene Erden, in Hülle und Fülle vorhanden sind: die Tiefsee.

Die Tiefsee beginnt ab einer Meerestiefe von 200 Metern und macht 95 Prozent des Gesamtvolumens der Ozeane dieser Erde aus. Die Tiefsee ist damit das größte Ökosystem unseres Planeten! Die Tiefsee ist kaum erforscht, denn hier herrschen Dunkelheit, Kälte und ein enormer Druck. Das Sonnenlicht dringt lediglich durch die oberen Wasserschichten. Ab 200 Metern Tiefe ist bereits keine Photosynthese und damit kein Pflanzenwachstum mehr möglich. Unter diesen eigentlich lebensfeindlichen Bedingungen hat sich in der Tiefsee eine Wunderwelt entwickelt mit einer Vielzahl von hochspezialisierten Arten. Manche Arten haben besondere und faszinierende Anpassungen an die Dunkelheit entwickelt, wie zum Beispiel die Biolumineszenz (die Erzeugung von Licht), um Beute oder potenzielle Geschlechtspartner anzulocken.

Aufgrund ihrer speziellen Beschaffenheit ist die Tiefsee mit ihren Bewohnern ein hochempfindliches Ökosystem. Gleichzeitig birgt die Tiefsee kostbare Schätze, welche bei den Menschen Begehrlichkeiten geweckt haben.

 

„Schwarze Raucher“, untermeerische Berge und Tiefseebecken

Zu den drei hauptsächlichen Rohstoffquellen in 3 bis 5 Kilometern Tiefe gehören die sogenannten „Schwarzen Raucher“, die untermeerischen Berge und die Tiefseebecken mit Manganknollenfeldern. Für den Tiefseebergbau sind die „Schwarzen Raucher“ wegen ihrer Gold-, Silber- und Kupfervorkommen interessant. „Schwarze Raucher“ bilden sich in Hydrothermalfeldern, wo die Erdkruste sehr dünn ist. Wasser dringt in die dicht unter dem Meeresboden liegenden heißen Basalt- und Magma-Zonen ein. Dann wird das Wasser mit Temperaturen von mehreren hundert Grad Celsius durch kaminartige Öffnungen wieder ausgestoßen. Im Kontakt mit dem kalten Meereswasser fallen viele Metalle aus, die für die Industrie interessant sind. Doch die „Schwarzen Raucher“ sind gleichzeitig auch die am dichtesten besiedelten Lebensräume der Tiefsee. An ihnen wurden bis zu 300 verschiedene Arten gefunden, von denen viele endemisch sind. Sie kommen also nur an „ihrem“ Hydrothermalfeld vor. Werden die „Schwarzen Raucher“ zerstört, gehen diese einzigartigen Lebensgemeinschaften zugrunde.

In den Gebieten der untermeerischen Berge wiederum locken vor allem deren 5-10 Zentimeter dicke Krusten mit ihrem hohen Anteil an Mangan und Kobalt. … Und auch dort wimmelt es von Leben. Die Seeberge sind regelrechte Gärten aus Korallen und Schwämmen, die bewohnt werden von verschiedenen Krustentieren, Seesternen, Tiefseemuscheln und anderen Organismen. Angelockt von den vielen Beutetieren und den guten Laich- und Versteckmöglichkeiten leben in diesen Gewässern an und um die Seeberge die meisten Fische der Tiefsee.

Am stärksten im Fokus des Tiefseebergbaus stehen die Tiefseebecken in ungefähr fünf Kilometern Tiefe. Auch hier haben sich vielfältige Lebensgemeinschaften gebildet, die an die besonderen Bedingungen in dieser großen Tiefe angepasst sind, beispielsweise Schwämme, Seegurken, verschiedene Arten von Oktopussen und viele Bodenlebewesen. Die dort vorkommenden begehrten Manganknollen sind zwischen einem bis 20 Zentimeter groß und unglaubliche 3 bis 4 Millionen Jahre alt. Sie wachsen in einer Million Jahre nur wenige Millimeter! Doch nur 3 Prozent eines solchen uralten, einzigartigen Gebildes bestehen aus dem für die Industrie wertvollen Mangan sowie Nickel, Kupfer, Kobalt, Lithium oder Selten-Erd-Metallen. Für manche Arten der Tiefsee, etwa kleine Korallen, Schlangensterne und kleine Krebstierchen, sind die Manganknollen jedoch lebenswichtig. Weil die Knollen das einzige feste Substrat im weichen Sediment bilden, können diese spezialisierten Lebewesen nur auf den Knollen siedeln.

Bei allen drei für den Tiefseebergbau vorgesehenen Gebieten handelt es sich also um wahre Hotspots der Biodiversität. Es sind sehr sensible Lebensräume, die sich über Jahrmillionen entwickelt haben.

 

Unwiederbringlich zerstört

90 Prozent der dort vorkommenden Tiefseebewohner leben in den obersten 10 Zentimetern des Meeresbodens. Dass ihr Überleben akut gefährdet ist, wird klar, wenn wir betrachten, wie der Tiefseebergbau vonstatten geht:

Um an die wertvollen Manganknollen zu gelangen, pflügen tonnenschwere Tiefseeroboter den Meeresboden um. Sie entfernen die oberen 10 Zentimeter des Meeresbodens komplett, also praktisch das gesamte Habitat der Tiefsee-Lebewesen. Deutsche Ozeanforscher starteten bereits 1989 ein besonderes Langzeitexperiment, um die langfristigen Auswirkungen des Tiefseebergbaus auf die Biodiversität der Tiefsee zu erforschen: das JPI Oceans Mining Impact-Projekt. Im Perubecken pflügten die Forscher den Meeresboden auf 11 Quadratkilometern Fläche komplett um. 2015 kehrten die Forscher an Bord des Forschungsschiffes „Sonne“ wieder in die Küstengewässer vor Peru zurück. Sie wollten herausfinden, wie sich das 26 Jahre zuvor umgepflügte Gebiet entwickelt hatte.

Ihre Ergebnisse waren so deutlich wie schockierend: Die Tier-und Pflanzenwelt hatte sich in einem Vierteljahrhundert immer noch nicht erholt. Die Pflugspuren waren noch so klar sichtbar, als wären sie erst am Tag zuvor gezogen worden. Die Tier- und Pflanzenwelt der Tiefsee konnte sich auch nach Jahrzehnten nicht erholen, weil der Nahrungsfluss in dieser Tiefe so gering ist und der Stoffwechsel der Organismen aufgrund der Dunkelheit und Kälte sehr langsam verläuft. So benötigt etwa ein kleiner Oktopus zwei Jahre, um seine Eier auszubrüten. Hätte dieser kleine Oktopus im Perubecken gebrütet, hätten weder er noch seine Brut das Experiment der Tiefseeforscher überlebt. Der Schaden an seinem Lebensraum, den Manganknollen, ist permanent, weil die Knollen erst nach ein paar Millionen Jahren wieder nachwachsen. Die Forschungen im Perubecken zeigten, dass 90 Prozent der Mikroorganismen verschwunden waren. Mehr noch: Ganze Faunenklassen waren geschädigt.

Um es ganz deutlich zu sagen: Das Umpflügen des Meeresbodens hatte die großflächige, nachhaltige Zerstörung kompletter Ökosysteme zur Folge. Und auch angrenzende Gebiete werden nachhaltig gestört. Das Umpflügen des Meeresbodens wirbelt Sedimente auf. Diese Trübungswolken, erstrecken sich bis zu 30 Kilometer weit. Beim Absinken der Sedimente werden auf dem Meeresboden oder auf Knollen siedelnde Tiere unter dem Schlamm begraben. Zusätzlich werden die Lebensfunktionen von Lebewesen beeinträchtigt, die ihre Nahrung aus dem Wasser filtern – etwa Korallen, Schwämme, Fische oder Larven. Eventuell freigesetzte Schwermetalle stellen eine zusätzliche Belastung dar.

Die für den Tiefseebergbau benötigten schweren Maschinen und Geräte sind außerdem eine zusätzliche Lärmquelle. Schall breitet sich unter Wasser schnell, über weite Distanzen und in alle Richtungen aus. Meerestiere können dadurch direkt verletzt werden oder werden in ihrer Kommunikation, Nahrungssuche oder Orientierung gestört.

Noch unklar ist, wie sich der Tiefseebergbau auf die CO2-Speicherung der Ozeane auswirken wird. Eine Störung deren höchst wichtiger Funktion für das Erdklima ist denkbar.

 

Behörde mit Interessenkonflikten

Doch wo soll Tiefseebergbau überhaupt stattfinden? In nationalen Gewässern ist der Tiefseebergbau bereits heute erlaubt. Die rechtlichen Grundlagen für den kommerziellen Abbau in internationalem Gebiet sollen voraussichtlich 2025 im Rahmen von Regularien der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority) erlassen werden. Zu Forschungszwecken hat die Behörde bereits mehrere Dutzend Bewilligungen erteilt. In großem Ausmaß ist Tiefseebergbau vor allem in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) geplant. Diese befindet sich im Pazifik zwischen Hawaii und der mexikanischen Küste und umfasst eine Fläche von 4,5 Millionen Quadratkilometern, was ungefähr der Landfläche aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union entspricht. Die Clarion-Clipperton-Zone ist die größte Lagerstätte von Metallvorkommen unseres Planeten.

Die bereits erwähnte Internationale Meeresbodenbehörde regelt alle Aktivitäten im Zusammenhang mit mineralischen Ressourcen auf und im internationalen Meeresboden. Sie hat die Aufgabe, den Schutz der marinen Umwelt vor schädlichen Einflüssen durch den Tiefseebergbau sicherzustellen. Doch gleichzeitig vergibt sie Lizenzen, die zur Exploration des internationalen Meeresbodens berechtigen. Das Vorgehen der Behörde ist daher umstritten. Experten und Naturschützer kritisieren immer wieder, dass die Internationale Meeresbodenbehörde den Schutz der marinen Umwelt zugunsten der Förderungen von Rohstoffen aus der Tiefsee zurückstellt.

Wir müssen uns bewusst sein: Was an Land etwa mittels Aufforstung in zehn bis zwanzig Jahren regeneriert werden kann, dauert in der Tiefsee mehrere hundert, vielleicht sogar Tausende von Jahren. Wie gezeigt ist mit irreversiblen Artenverlusten und unumkehrbaren Schädigungen der Ökosysteme zu rechnen. Ob ein kleiner, erst kürzlich entdeckter Seestern oder eine andere Spezies: Sie würden auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Von vielen Arten wüssten wir nicht einmal, dass sie je existiert haben …

 

Die dunkle Seite der „Grünen Wende“

Etwas geht oft vergessen: Der Rohstoffhunger wird nicht zuletzt durch die „Grüne Wende“ massiv angeheizt, die eigentlich zum Schutz unseres Planeten beitragen sollte. So benötigen beispielsweise Elektrofahrzeuge im Vergleich zu Benzin-oder Dieselfahrzeugen mindestens die vierfache Menge an Metallen wie Nickel, Mangan, Kobalt oder Kupfer. Würden alle Autos in Europa bis 2040 elektrisch betrieben und die gleiche Art von Batterien wie das Tesla Model 3 verwenden, wäre der Bedarf an Kobalt 28 Mal höher als die derzeit produzierte Menge.

Auch Windkraftanlagen sind Rohstoff-Fresser. So werden für den Bau einer einzigen 3-Megawatt-Windturbine 4,7 Tonnen Kupfer und 2 Tonnen Seltene Erden benötigt. Und vergessen wir nicht all unsere digitalen Geräte wie Laptops, Tablets oder Smartphones. Jedes Mobiltelefon besteht fast zur Hälfte aus wertvollen Metallen wie Kupfer, Aluminium, Nickel, Zinn, Gold, Silber, Platin, Kobalt und Seltenen Erden. Brauchen wir wirklich jedes Jahr das neueste Smartphone-Modell?

Der Beitrag des Tiefseebergbaus zur nachhaltigeren Rohstoffförderung ist mehr als fraglich und es ist umstritten, ob der Abbau in der Tiefsee überhaupt nötig ist. Bessere Lösungen im Umgang mit der Ressourcenknappheit wären der effizientere Einsatz der Rohstoffe, erhöhte Recycling-Quoten und insbesondere der dringend notwendige Ausbau einer Kreislaufwirtschaft. Zudem wird der geplante Tiefseebergbau den Bergbau höchstwahrscheinlich nicht ersetzen, sondern einfach eine zusätzliche Belastung für den Planeten darstellen.

 

Die Meere – das gemeinsame Erbe der ganzen Menschheit

Zum Glück wächst allmählich das Bewusstsein, dass wir nicht einfach in ein nächstes Ökosystem vordringen und dieses in derselben Weise ausbeuten und schädigen können, wie wir es bereits mit anderen Ökosystemen getan haben. Im Jahr 2021 stimmte eine Mehrheit der Mitglieder der International Union for Conservation of Nature (IUCN) auf ihrem Weltnaturschutzkongress für ein Moratorium für den Tiefseebergbau und verlangte zudem eine Reformation der Internationalen Meeresbodenbehörde. Und mittlerweile fordern auch zahlreiche Umweltschutzorganisationen, das Europäische Parlament, einige pazifische Inselstaaten und die Fischerei-Industrie ein weltweites Moratorium für den Tiefseebergbau, bis die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen gründlich analysiert sind.

Das Seerechtsübereinkommen (UNICLOS) der Vereinten Nationen definiert den internationalen Meeresgrund als gemeinsames Erbe der Menschheit. Das bedeutet, die Ozeane gehen jeden von uns und uns alle gemeinsam etwas an, denn alles ist mit allem verbunden.

Erinnern wir uns: Die Ozeane regulieren das Klima des Planeten und produzieren den Großteil des Sauerstoffs. Millionen von Menschen sind für ihren Lebensunterhalt auf ein gesundes Ökosystem Meer angewiesen. Meere und Ozeane sind essenziell für alles Leben auf unserem Planeten!

Lassen wir nicht zu, dass menschliche Gier dieses einzigartige, größte Ökosystem des Planeten Erde unwiederbringlich schädigt. Schützen wir die Ozeane!

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