Wenn ein Mensch bei seiner Geburt zum ersten Mal Atem schöpft, dann hat er dieses Leben physisch neu betreten und damit beginnt ein Kreislauf des Ein- und Ausatmens, der erst damit endet, dass wir ein letztes Mal einatmen und uns mit dem letzten Ausatmen wieder aus dem Leben verabschieden. Rund 16 bis 18 Mal pro Minute atmet ein Erwachsener, das sind jede Stunde 1’080 Atemzüge, 25’920 Atemzüge pro Tag und rund 9’331’200 Atemzüge pro Jahr. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 76 Jahren schöpft ein Mann in seinem Leben 709’171’200 Mal Atem, eine Frau 755’827’200 Mal (Lebenserwartung 81 Jahre).
Während wir zwar mehrere Wochen ohne feste Nahrung und einige Tage ohne Flüssigkeit auskommen können, führen schon wenige Minuten ohne Sauerstoff zum Tod, bereits nach 20 Sekunden gibt es keine elektrische Gehirnaktivität mehr.
Doch der Atem versorgt uns noch mit weit mehr, als „bloß” mit Sauerstoff. In allen alten Kulturen war das Wissen darüber vorhanden, dass im Atem auch die (heilende) Energie oder Lebenskraft des Universums vorhanden ist, die in allen lebendigen Dingen existiert und ständig um und durch unseren Körper fließt. Die Chinesen nennen diese Kraft „Chi”, im Sanskrit war der Begriff „Pranha” gebräuchlich. Bewegungsübungen wie im Tai Chi, Qi Gong oder auch im Yoga beruhen auf diesem Wissen um die Kraft des Atems. Auch Zen-Mönche praktizieren seit Jahrtausenden die Kunst der tiefen Bauchatmung, welche hilft, Ärger, Irritationen und Verwirrungen zu beruhigen.
Die Bauchatmung, welche Babys noch ganz natürlich praktizieren, haben viele Menschen heutzutage verlernt. Die meisten von uns atmen nur oberflächlich in der Brust, besonders in Stress- und Angstsituationen. Auf lange Sicht ist dies für unseren Körper sehr schädlich, da somit unsere Zellen nur mangelhaft mit der nötigen Lebensenergie versorgt werden. Zellen, die nicht genügend Sauerstoff erhalten, „verhungern” gewissermaßen, was übrigens ein typisches Merkmal von Krebszellen ist.
Der japanische Arzt Dr. Nobuo Shioya entwickelte eine besonders effiziente und einfach durchführbare Atemübung, die wir Ihnen nachfolgend vorstellen und ans Herz legen möchten (vgl. Abbildung). Die Übung legt besonderen Wert darauf, nicht nur das richtige Atmen, sondern auch das richtige Denken zu praktizieren. Das bedeutet in der Praxis, dass man zusätzlich zur Atemtechnik auch die Vorstellungskraft nutzt, um zusammen mit der Atemluft die Lebenskraft in sich aufzunehmen und dadurch die Wirkung der Übung noch zu verstärken. Dr. Shioya wurde übrigens 105 Jahre alt…
1. Körperhaltung und Mudra der Glocke
Sitzen Sie aufrecht und entspannt mit geradem Rücken, damit die Luft die ganze Lunge füllen kann. Sie können dabei auf einem Stuhl sitzen (dabei den Rücken nicht anlehnen und die Unterarme nicht auf die Armlehnen legen) oder sich auch in Meditationshaltung oder im Schneidersitz auf dem Boden niederlassen. Wenn Sie sich auf den Boden setzen wollen, können Sie zum Beispiel ein flaches Sitzkissen in der Mitte zusammenfalten und es unter das Gesäß legen oder ein Meditationskissen benutzen. (Wer wegen Krankheit oder aus Schwäche nicht in der Lage ist, aufrecht zu sitzen, kann auf dem Rücken liegend üben. Dabei legen Sie beide Arme gestreckt seitlich neben den Körper, wobei die Handflächen nach unten weisen.)
Entspannen Sie nun die Schultern, und halten Sie die Arme so seitlich am Körper, dass sie im Ellbogen einen rechten Winkel bilden. Dann legen Sie die beiden Handflächen vor dem Nabel zusammen, als wollten Sie einen kleinen Ball sanft umfassen. Dabei liegt Ihre aktive Hand oben, bei Rechtshändern also die rechte, bei Linkshändern die linke. Die Daumen liegen übereinander und die vier Finger geschlossen nebeneinander, um einen Hohlraum zu bilden. Dies bezeichnet man als Mudra der Glocke.
a. Einatmen:
Atmen Sie ruhig und geräuschlos durch die Nase ein, bis die Lunge vollständig mit Luft gefüllt ist, und drücken Sie dann die eingeatmete Luft energisch hinab in den Unterbauch. Dadurch senkt sich das Zwerchfell auf natürliche Weise, und die Lunge füllt sich bis zur Basis.
b. Atem anhalten:
Bringen Sie Kraft in die Körpermitte, indem Sie den Unterbauch anspannen und den After fest verschließen, und halten Sie den Atem ein paar Sekunden an, aber nur so lange, dass es nicht unangenehm wird (maximal zehn Sekunden).
c. Ausatmen:
Atmen Sie geräuschlos und möglichst vollständig durch die Nase aus. Dabei lassen Sie die Spannung im Unterbauch und im After langsam los, wobei die Bauchdecke wieder nach innen sinken kann. Das Ausatmen sollte etwa doppelt so lange dauern wie das Einatmen.
d. Kleiner Atem:
Atmen Sie nun einmal oder zweimal normal, um die Atmung zu regulieren.
Wiederholen Sie diesen Atemzyklus täglich fünfundzwanzig Mal, in einem Durchgang oder aufgeteilt in mehrere kleine Zyklen. Eine Besonderheit dieser Atemtechnik besteht darin, dass man dabei die Kraft positiver Gedanken einsetzt, indem man intensiv denkt oder darum bittet, dass dies oder jenes geschehen oder sich in einem bestimmten Zustand befinden möge. Die Imagination ist natürlich nicht nur auf die Gesundheit beschränkt, sondern lässt sich auf alle Lebensbereiche anwenden. Um die Imagination in Einklang mit dem Atem zu bringen und einen gesunden Körper zu formen, geht man wie folgt vor:
a. Beim Einatmen stellen Sie sich vor: „In der Körpermitte sammelt sich die grenzenlose Kraft des Universums. Sie erfüllt meinen ganzen Körper.”
b. Während des Anhaltens stellen Sie sich vor: „Mein ganzer Körper ist vollkommen gesund. Mein … [Name der Krankheit] ist geheilt.”
c. Während des Ausatmens stellen Sie sich vor: „Alle Schlacken, Giftstoffe und Abfälle in meinem Körper wurden mit dem Ausatmen vollständig ausgeschieden. Mein gesamter Körper ist gereinigt. Die Zellen des ganzen Körpers haben sich verjüngt.”
Für jede Krankheit können Sie diesen Zyklus fünf Mal wiederholen; das heißt, wenn Sie fünf Krankheiten haben, kommen Sie auf fünfundzwanzig Wiederholungen. Personen mit weniger Beschwerden wiederholen den Namen der Krankheit, die sie in erster Linie heilen möchten, so oft sie wollen. Und wer überhaupt keine Probleme hat, wiederholt fünfundzwanzig Mal: „Die Zellen meines ganzen Körpers sind vollkommen gesund.”
Üben Sie am Anfang nicht länger als zehn Minuten am Stück. Sie können zwar durch längeres Üben nicht zu Schaden kommen, aber weil bestimmte Muskeln intensiv benutzt werden, kann es nach sehr langem Üben vorkommen, dass untrainierte Personen am nächsten Morgen Muskelschmerzen haben. Deshalb sollte man es mit der Bauchatmung anfangs nicht übertreiben. Vermeiden Sie es in jedem Fall, so weit zu gehen, dass Sie sich denken „Das ist wirklich hart!” oder „Das ist ja viel zu anstrengend!”. In diesem Fall werden dann negative Vorstellungen mit dem Üben assoziiert, die das Gegenteil dessen bewirken können, was man damit eigentlich erreichen möchte.
Wir wünschen Ihnen nun gutes Gelingen und einen langen Atem!
Hinweis: Diese Atemübung sowie die Abbildung dazu stammen aus dem Buch „Die Kraft strahlender Gesundheit: Neue Vitalität für Millionen Körperzellen” von Dr. Nobuo Shioya, erschienen im Goldmann Verlag.