Las Gaviotas – ein grossflächiges Gebiet im Osten von Kolumbien, bestand bis vor 25 Jahren praktisch nur aus Steppe und aus Einöde. Heute ist das Gebiet auf einer Fläche von 8oo Hektar bewaldet und dank der Bäume kam auch der Regen wieder zurück. Der Wald ernährt mittlerweilen bereits rund 200 Familien, welche nebst Produkten aus den Waldgärten sogar Trinkwasser in die Hauptstadt der Provinz verkaufen.
Das Abholzen von Bäumen und Wäldern hat Auswirkungen auf unseren ganzen Planeten. Die Wälder haben einen grossen Einfluss auf das lokale und globale Klima und tragen entscheidend zum Kohlenstoffkreislauf bei. Der Dienst der Wälder wird heute jedoch noch viel zu wenig geschätzt. Bäume speichern nicht nur grosse Mengen an Kohlenstoff, sondern sie bieten auch Nahrung, Energie sowie Lebensraum für Mensch und Tier. Wo der Wald verschwindet, gibt es auch bald keine Tiere und Pflanzen und folgedessen auch keine Menschen mehr.
Las Gaviotas, im Osten Kolumbiens in der Orinoco Savanne ist solch ein Beispiel. Anfang des 17. Jahrhunderts hatten europäische Siedler den gesamten Regenwald abgeholzt, um Platz für die Rinderzucht zu schaffen. Überweidet und ohne den Schutz der Bäume wurde die Oberbodenschicht rasch abgeschwemmt und verweht und verschwand nach und nach. Unter dem Einfluss der heissen Sonne trocknete der einst fruchtbare Boden schlussendlich ganz aus und bot keinen Lebensraum mehr.
Bäume als „Regenmacher“
Heute ist Las Gaviotas eines von vielen Beispielen welches aufzeigt, wie der Mensch in Zusammenarbeit mit der Natur eine wunderbares Refugium für Pflanzen, Tiere und Menschen schaffen und wie die Natur innert nur einem Vierteljahrhundert die Einöde in einen wirtschaftlich ertragreichen Regenwald umwandeln kann. Möglich machte dies die Initiative eines einzelnen Mannes, eines Kolumbianers mit dem Namen Paolo Lugari. Lugari kam 1984 mit der Vision nach Las Gaviotas, den unwirtlichen Boden wieder in fruchtbares Land zu verwandeln.
Zu Beginn wurde er jedoch nicht ernst genommen und als Träumer bezeichnet. Für die meisten etablierten Wissenschaftler war das Vorhaben von Lugari schlichtweg nicht machbar, die Böden waren ausgelaugt und zu sauer, die Sonne zu heiss und das Wasser zu knapp. Doch dank der Innovationskraft und des Willens von Paolo Lugari hat er mit seinem Schaffen die Wissenschaftler eines Besseren belehrt. Bereits zehn Jahre nach dem Beginn waren 5‘000 Hektar aufgeforstet, heute ist die Fläche auf 8‘000 Hektar angewachsen und breitet sich immer weiter aus. Derzeit leben in Las Gaviotas bereits wieder 200 Familien mit einer gesunden Zukunftsperspektive. Das Anpflanzen von Bäumen brachte den Regenwald mitsamt seiner biologischen Vielfalt erstaunlich schnell zurück. Die Böden haben sich regeneriert, speichern Kohlenstoff und sorgen wieder für ausreichend sauberes Wasser. Dies sind auch für das umliegende Land gute Aussichten: Weitere 6,3 Millionen Hektar Land welche sich in unmittelbarer Nähe befinden und zurzeit aus Steppe bestehen warten darauf, wieder aufgeforstet zu werden, dies entspricht ungefähr der Fläche der Benelux Länder (Belgien, Holland und Luxemburg).
Der Start
Als Pionierpflanze für die Wiederaufforstung wählte Paolo Lugari im Jahre 1984 die Karibische Kiefer. Die Karibische Kiefer verfügt über lange Pfahlwurzeln, welche in der Lage sind, das Wasser auch aus tiefen Schichten zu holen. Gleichzeitig wird die Infiltrationskapazität der Böden erhöht, um die seltenen aber heftigen Niederschläge aufzufangen und zu speichern. Die feinen Nadeln dieser Kiefer verdunsten zudem nur sehr wenig Wasser. Um die Bäume jedoch in dem übersäuerten und ausgelaugten Boden überhaupt erst zum Anwachsen bringen zu können, mussten die Wurzeln zuerst inokuliert werden (spezielles „Animpfen“ einer Zellkultur des Mycorrhiza-Pilzes). Die schnell wachsenden Kiefern ermöglichten es, dass es unter den Bäimen bereits nach kurzer Zeit wieder kühler und feuchter wurde, was eine ideale Basis für die Keimung der im Boden ruhenden oder von Vögeln mitgebrachten Samen ergab. So kehrte der Regenwald Schritt für Schritt in seiner ganzen Artenvielfalt zurück. Mittlerweile sind darin wieder zahlreiche Tiere heimisch und rund 250 verschiedene Baumarten zu finden.
Wasser als Lebensspender
Durch die Verdunstung der Bäume und die geringere Aufheizung des Bodens ist auch die Atmosphäre über dem Wald deutlich kühler als über den umliegenden Steppenflächen. Durch die Verdunstung des Waldes entsteht eine aufsteigende Luftmasse über dem Wald. An dieser Luftmasse stauen sich die über die Steppe wehenden Winde auf und kühlen sich ab. Somit kommt es zur Wolkenbildung, das Wasser kondensiert und es kommt zu lokalen Regenschauern.
Die Regenmenge nahm in der Gegend des Waldstückes innerhalb von 10 Jahren um 10% zu und die Regenfälle verteilten sich regelmässiger über das ganze Jahr. Somit wurde auch das Klima wieder ausgewogener. Die versiegten Quellen begannen dadurch wieder zu fliessen und das Quellwasser, welches mittlerweile im Überfluss vorhanden ist, wird heute sogar in speziellen Flaschen in die Hauptstadt Bogotá geliefert und dort verkauft. Das Harz der karibischen Kiefer dient als Rohstoff für die Papier- und Farbindustrie, Palmenöl von Palmen aus Mischkulturen werden zu Treibstoffen verarbeitet und örtlich eingesetzt und müssen somit nicht mehr aus großer Entfernung herbeigeschafft werden. Zudem ist der Bodenpreis innerhalb von 20 Jahren im Vergleich zur umliegenden Steppe um das 3000fache gestiegen.
In Las Gaviotas wird nun auch wieder das Wissen der indigenen Bevölkerung genutzt und die Waldgärten werden mit alten Sorten als Mischkulturen bepflanzt. Zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit in den Gemüsebeeten wird Pflanzenkohle verwendet, die aus den reichlich vorhandenen Holzresten selbst hergestellt wird. Die über 200 Familien von Las Gaviotas können sich mittlerweile auf eine fast ausschließlich lokal erzeugte Lebensmittelversorgung stützen.
Fazit
Dieses Beispiel zeigt auf eindrückliche Weise auf, was die Initiative eines einzelnen Menschen hervorrufen und welchen Welleneffekt dies auslösen kann. Ebenfalls führt es uns die Wichtigkeit der Bäume und Wälder vor Augen, ein empfindliches und lebenswichtiges Ökosystem welches unbedingt geschützt werden muss. Fangen wir heute damit an!
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